31.07.2024
OLG Koblenz: Widerruf der Einwilligung für die Nutzung von Bildern im Rahmen des Kunst-Urheberrechtsgesetzes (KUG)
Das Oberlandesgericht Koblenz (OLG) befasste sich mit der Frage der Wirksamkeit eines Widerrufs im Rahmen des Kunst-Urheberrechtsgesetzes (KUG) und der Datenschutzgrundverordnung (DSGV).
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verbreitung von vier Videos in Anspruch. Beide Parteien sind Unternehmer. Im Oktober 2019 besuchte der Kläger ein Wochenendseminar der Beklagten und unterschrieb in diesem Zusammenhang eine Einwilligungserklärung bezüglich der Nutzung der entstandenen Bildnisse, die folgenden Wortlaut hatte: „Ich willige ein, dass Bildnisse meiner Person (Foto, Video, Multimediawerke) die im Wege der vorgenannten Produktion entstanden sind, von der [D] und von entsprechend ermächtigten Dritten verbreitet, vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht werden dürfen, insbesondere zu Zwecken der Werbung im Internet und den sozialen Medien benutzt werden dürfen. Ich verzichte insoweit auf die mir zustehenden Persönlichkeitsrechte, insbesondere solche nach dem Kunsturhebergesetz (KUG). Mir ist bewusst, dass meine Einwilligung nicht widerrufbar ist.“ Die Beklagte veröffentlichte verschiedene Videos, die im Rahmen des Seminars entstanden waren und in denen der Kläger beispielsweise über seine Erfahrungen mit der Unternehmensberatung durch die Beklagte berichtete. Mit Schreiben vom 24.07.2020 erklärte der Kläger gegenüber den Beklagten den Widerruf seines Einverständnisses zur Nutzung von Audio-, Video- und Bildmaterialien und forderte die Beklagte auf, alle vorhandenen Materialien aus jeglichen Plattformen zu löschen. Die Beklagte löschte die Videos nicht. Mit seiner Klage begehrt der Kläger nunmehr, die Beklagte zur Unterlassung der Verbreitung von Video-, Bild- oder Tonaufnahmen ohne Einwilligung des Klägers sowie zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu verurteilen. Das Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen.
Das OLG entschied, dass das LG die Klage zu Recht abgewiesen habe. Das LG sei zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen die Beklagte kein Unterlassungsanspruch analog § 1004 Abs.1S.2BGBi.V.m.§823Abs.1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zusteht, weil die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Videos mit Einwilligung des Klägers gemäß § 22 S. 1 KunstUrhG erfolgte, die der Kläger nicht wirksam widerrufen habe. Zutreffend sei das LG davon ausgegangen, dass der vom Kläger erklärte Widerruf der Einwilligung nach § 22 KUG unwirksam ist. Unabhängig davon, ob man die Einwilligung als empfangsbedürftige Willenserklärung einstuft, sei anerkannt, dass die für rechtsgeschäftliche Handlungen geltenden Grundsätze hinsichtlich der Rechtswirkungen der Einwilligung jedenfalls entsprechend heranzuziehen sind. Hieraus folge, dass die erteilte wirksame Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG grundsätzlich bindend sei. Ausnahmen von der Bindungswirkung würden von der Rechtsprechung zugelassen, wenn dem Persönlichkeitsrecht unter bestimmten Aspekten aus einem wichtigen Grund Vorrang gegenüber dem Prinzip der Rechtssicherheit und Vertragstreue einzuräumen ist, etwa weil sich die der Einwilligung zugrunde liegende innere Einstellung des Betroffenen nachweislich geändert hat. Einen derartigen Ausnahmefall habe der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht hinreichend dargetan. Soweit er sein Widerrufsrecht damit begründet, er sei aufgrund seiner unternehmerischen Weiterentwicklung inzwischen ein bedeutender Wettbewerber der Beklagten im Bereich der digitalen Beratung, habe das Seminar der Beklagten, aus dem eines der streitgegenständlichen Videos stammt, wie der Kläger selbst vorträgt, gerade dazu gedient, die Teilnehmer bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung als Unternehmer zu unterstützen. Wenn diese vom Kläger gewünschte Entwicklung mit oder ohne Zutun der Beklagten gelungen ist, könne dies allein einen Widerruf der Einwilligung in die Nutzung der Videos nicht begründen. In den Videos ginge es schließlich zu einem nicht unerheblichen Teil darum, dass der Kläger auf dem Weg ist, neben seinem Gartenbauunterneh- men eine digitale Unternehmensbera- tung aufzubauen. Deren Wettbewerbs- verhältnis zur Beklagten sei mithin bei Er- teilung der Einwilligung mindestens be- reits absehbar bzw. vom Kläger ange- strebt gewesen, sodass es sich nicht um einen gänzlich unerwarteten Umstand handele, den der Kläger nicht berück- sichtigen konnte und wegen dem aus- nahmsweise die Bindungswirkung der Einwilligung zurückzutreten hätte. Soweit der Kläger ergänzend vorträgt, er habe auch im Übrigen den Kontakt zu den Ge- schäftsführern der Beklagten vollständig abgebrochen und stehe deren Strategien teilweise nunmehr kritisch gegenüber, rechtfertige dies keine andere Entschei- dung. Zwar könne eine Distanzierung vom Geschäftspartner je nach Umstän- den des Einzelfalls ggf. einen wichtigen Grund für einen Widerruf der Einwilligung zur Veröffentlichung von Kooperationsvideos rechtfertigen, hierzu müssten dieser Distanzierung aber ihrerseits wichtige Gründe zugrunde liegen. Derartiges habe der Kläger nicht vorgetragen. Der Kläger könne sein Begehren auch nicht auf Verstöße der Beklagten gegen die DSGVO stützen. Die vom LG auch insoweit in Erwägung gezogenen An- spruchsgrundlagen (§§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 2 BGB analog) fänden bereits keine Anwendung. Soweit Verstöße gegen Regeln zur Verarbeitung personenbezogener Daten und anderer Regelungen der DSGVO geltend gemacht werden, fänden Schadensersatzansprüche und Unterlassungsansprüche des nationalen Rechts keine Anwendung, weil die Vorschriften der DSGVO eine abschließende, namentlich voll harmonisierende europäische Regelung bilden. Es seien auch keine Ansprüche aus Art. 17 oder Art. 82 DSGVO. Ein Unterlassungsanspruch aus Art. 82 DSGVO scheide aus, weil dieser einen konkreten entstandenen Schaden voraussetze, den der Kläger nicht dargelegt habe. Schließlich könne der Kläger sein Unterlassungsbegehren auch nicht auf Art. 17 Abs. 1 lit. b) DSGVO stützen. Zwar sei anerkannt, dass sich aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO über den Wortlaut hinaus auch ein Anspruch auf Unterlassung ergeben könne, allerdings lägen die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 DSGVO nicht vor. Denn selbst wenn man von einer Anwendbarkeit des Art. 17 Abs. 1 DSGVO ausginge und zugunsten des Klägers unterstellen würde, dass die Einwilligung in die Datenverarbeitung gemäß Art. 7 Abs. 3 DSGVO wirksam widerrufen wurde, stünde dem Kläger jedenfalls deshalb kein Unterlassungsanspruch zu, weil dieser nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 lit. b) DSGVO im Falle des Widerrufs der Einwilligung nur dann entsteht, wenn es an einer anderweitigen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung fehlt. Die weitere Datenverarbeitung bleibe mithin zulässig, wenn diese noch aus weiteren Gründen erfolgen durfte. Vorliegend könne die Beklagte die Datenverarbeitung indes auch auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b) DSGVO stützen, da die Veröffentlichungen im Rahmen einer Geschäftsbeziehung der Parteien erfolgten, zu deren Inhalt es nach dem Vortrag beider Parteien jedenfalls auch gehörte, dass beide Parteien in Videos über das Unternehmen der jeweils anderen Seite berichten. Die Formulierung „Erfüllung eines Vertrags“ in Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b) DSGVO sei unionsrechtlich autonom und weit auszulegen. Sie erfasse jedwedes rechtsgeschäftliche oder rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnis und beziehe vertragsähnliche Konstellationen mit ein. Es könne aus Sicht des OLG kein Zweifel daran bestehen, dass die von beiden Parteien vorgetragene Geschäftsbeziehung der Parteien, in deren Zusammenhang die Videos produziert und veröffentlicht wurden, als Vertrag in diesem Sinne anzusehen sei. Zu dieser Geschäftsbeziehung habe es ersichtlich gehört, die Medienpräsenz der wechselseitigen Unternehmen und Unternehmer durch die produzierten Videos und der Veröffentlichung im Internet zu erhöhen bzw. zu erhalten.
Quelle: OLG Koblenz, Hinweisbeschluss v. 31.07.2024, 4 U 238/23