10.03.2022
BVerwG: Überwachung des Betäu-bungsmittelverkehrs - Keine Einsicht in Patientenakten
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden, dass die für die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs zuständigen Behörden zur Kontrolle des Verschreibens von Betäubungsmitteln nicht dazu befugt sind Einsicht in ärztliche Patientenakten zu nehmen.
Im konkreten Fall ist der Kläger Arzt und betreibt eine allgemeinmedizinische Praxis. Die Beklagte gab ihm auf, für 14 namentlich benannte Patienten und jeweils mehrjährige Zeiträume alle von ihm ausgestellten Betäubungsmittelrezepte sowie die Unterlagen vorzulegen, die die Betäubungsmittelverschreibungen medizinisch begründen können (z.B. Patientendokumentation, Arztbrie-fe, Befunde). Zur Begründung des Bescheides führte sie aus, bei routinemäßigen Kontrollen in Apotheken seien zahlreiche Verschreibungen des Klägers über (u.a.) die Betäubungsmittel Methylphenidat und Fentanyl aufgefallen. Die auffälligen Rezepte gäben Anlass zur Überprüfung, ob die Anwendung der verschriebenen Betäubungsmittel medizinisch indiziert gewesen sei. Die Prüfung sei ohne Einsicht in die Patientenakten nicht möglich.
Das BVerwG urteilte, dass die für die Überwachung zuständigen Behörden keinen Anspruch auf Einsicht in ärztliche Patientenakten haben. Als Begründung führte es dazu aus, dass nach § 22 I Nr. 1 BtMG diese zwar Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr einsehen und hieraus Abschriften oder Ablichtungen anfertigen dürften, soweit sie für die Sicherheit oder Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs von Bedeutung sein können. Doch die Annahme der bayerischen Vorinstanz, auch Patientenakten seien derartige Unterlagen, verstoße gegen Bundesrecht. Das ergebe eine Auslegung dieser Vorschrift. Gemäß § 13 I BtMG dürfen Ärzte Betäubungsmittel nur verschreiben, wenn ihre Anwendung im menschlichen Körper begründet ist. Anhand der Angaben auf einem Betäubungsmittelrezept lässt sich die medizinische Begründung der Verschreibung nicht feststellen. Das Ziel, eine effektive Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs zu gewährleisten, kann daher dafürsprechen, den Überwachungsbehörden auch die Befugnis einzuräumen, ärztliche Patientenunterlagen einzusehen. § 22 I Nr. 1 BtMG biete für die Befugnis zur Einsicht in Patientenakten jedoch keine Grundlage. Weder Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm noch die Gesetzessystematik geben Anknüpfungspunkte dafür, dass Patientenakten nach dem Willen des Gesetzgebers von dem Begriff "Unterlagen über den Betäubungsmittelverkehr" umfasst sein sollen. Anders liegt es für die Befugnis zur Einsicht in Betäubungsmittelrezepte. Sie findet in § 22 I Nr. 1 BtMG, § 8 V der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung eine hinreichend bestimmte und auch im Übrigen verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage.
Quelle: BVerwG, Urt. v. 10.03.2022, Az. 3 C 1.21