06.04.2022

BSG: Anforderungen an eine
ausgelagerte Praxis

Eine ausgelagerte Praxis ist nicht genehmigungs-, sondern nur anzeigepflichtig. Das Kriterium der räumlichen Nähe ist bei einer Erreichbarkeit innerhalb von 30 Minuten erfüllt. Das Leis-tungsspektrum darf sich nur auf spezielle Untersuchungs- und Behandlungs-leistungen erstrecken.

Mit dieser Entscheidung konnte sich eine überörtliche gynäkologische BAG gegen die KV Nordrhein durchsetzen, die ihre zytologischen Laborleistungen in einer ausgelagerten Praxisstätte durchführen wollte. Die KV hatte mitgeteilt, dass die Praxisräume zu weit ent-fernt seien (9 km beziehungsweise 17 bis 19 Minuten Fahrtzeit) und lehnte das Vorhaben ab. Die Klage war zunächst erfolgreich, das LSG NRW hatte der Berufung der KV entsprochen und die Klage abgewiesen. Inzwischen hatte sich die räumliche Situation in der Hauptpraxis erweitert und das Interesse an der ausgelagerten Praxis war erledigt. Die Klage wurde als Fortsetzungs-feststellungsklage fortgeführt. Das LSG stellte aber fest, es mangele an der notwendigen räumlichen Nähe, dieses Erfordernis ergebe sich aus einer Aus-legung von § 24 Ärzte-ZV und der ent-sprechenden Regelung in § 18 der Be-rufsordnung. Danach seien ausgelagerte Praxisräume eine organisatorische Einheit mit der Praxis, die Fahrtzeiten gemäß der alten Residenzpflicht von maximal 30 Minuten seien nicht heran-zuziehen.

Diese Entscheidung wurde durch den Senat kassiert. Der Senat bejahte ein Feststellungsinteresse, da die Gefahr einer Honorarkürzung bestünde.

Dem Erfordernis der „räumlichen Nähe“ zum Vertragsarztsitz in § 24 Absatz 5 Ärzte-ZV stehe die Entfernung von 9 km und einer Fahrtzeit von 19 Minuten nicht entgegen. Bei der Auslagerung von Praxisräumen sei die zeitliche Erreichbarkeit innerhalb von 30 Minuten generell ein geeignetes Kriterium zur Bestimmung der räumlichen Nähe. Dieses stellt sicher, dass ein Vertragsarzt zur Durchführung seiner Sprechstunde und auch bei Notfällen am Vertragsarztsitz persönlich in angemessener Zeit zur Verfügung stehe. Es trage unterschiedlichen Anforderungen an ländlich strukturierte Gebiete wie auch an dicht besiedelte Großstadtgebiete hin-reichend Rechnung.

An der zur überholten berufsrechtlichen Vorgängerregelung vertretenen Ansicht, dass „in den Augen des Publikums“ eine organisatorische Einheit auch bei Auslagerung einer Praxisstätte vorliegen müsse, hielt der Senat nicht fest. Engere Organisationsstrukturen seien durch Digitalisierungen möglich geworden. Der Senat ließ offen, ob möglicherweise bei reinen Laboruntersuchungen, die ohne Arzt-Patienten-Kontakt in ausgelagerten Praxisräumen durchgeführt würden, im Einzelfall auch längere Wegezeiten als 30 Minuten in Betracht kämen. Darauf war es hier indes nicht angekommen.

Für das erneute Berufungsverfahren müsse bewertet werden, ob die Tätigkeit am Hauptsitz der Tätigkeit an weiteren Orten zeitlich überwiegt, wie es § 17 Absatz 1a Satz 5 BMV vorsieht. Seit Änderungen der Berufsordnung ab 2003 und des § 24 Ärzte-ZV ab 2007 gelte zwar nicht mehr, dass in ausgelagerten Praxisstätten keine Leistungen erbracht werden dürften, die auch am Hauptsitz erbracht würden. Es gelte aber weiterhin, dass in ausgelagerten Praxisstätten nur spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen erbracht werden dürften. Dabei sei der Begriff der speziellen Leistungen nicht allein auf das von der jeweiligen Arztgruppe erbrachte Leistungsspektrum zu beziehen, sondern auf die von dem einzelnen Arzt an der Hauptbetriebsstätte erbrachten Leistungen. Deshalb könne ein Arzt nicht mit Erfolg geltend machen, dass er ganz überwiegend spezielle Leistungen erbringe, die zu einer ausgelagerten Praxisstätte berechtigten, wenn im Wesentlichen die gleichen Leistungen auch am Hauptsitz der Praxis angeboten würden.

Quelle: Bundessozialgericht, Urt. v. 06.04.2022, B 6 KA 12/21 R