15.02.2024
VG Münster: Keine Weiterbildung eines Chefarztes durch einen Oberarzt
Das Verwaltungsgericht Münster (VG) hatte sich im Rahmen eines Rechtsstreits mit den Voraussetzungen der Anerkennung eins Facharzttitels aufgrund der Gleichwertigkeit einer ärztlichen Tätigkeit i.S.d. § 10 S. 2 WBO auseinanderzusetzen.
Der Kläger ist Chefarzt. Er ist Facharzt für Chirurgie sowie für Orthopädie und Unfallchirurgie. Zudem führt er die Zusatzbezeichnung "Sozialmedizin" und "Physikalische Therapie und Balneologie". Der Kläger bat bei der beklagten Ärztekammer um Prüfung, inwieweit er über die Voraussetzungen verfüge, den Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin zu erwerben. Er habe zwar keine ordentliche Weiterbildung durchlaufen, aber laut Weiterbildungsordnung (WBO) gebe es nach § 10 die Möglichkeit einer Anerkennung einer gleichwertigen Weiterbildung. Anhand seiner zahlreichen Weiterbildungsstellen sei zu sehen, dass er im Laufe der Jahre zahlreiche Qualifikationen erworben habe. Er sei mittlerweile seit elf Jahren in der Rehabilitationsmedizin tätig, sieben Jahre in oberärztlicher Funktion und mittlerweile vier Jahre in leitender Funktion. Er bitte zu prüfen, inwieweit für ihn die Voraussetzungen bestünden, zur Prüfung zugelassen zu werden. Nach mehrfach wechselndem Schriftverkehr lehnte die beklagte Ärztekammer den Antrag des Klägers auf Anerkennung ab. Die Gleichwertigkeit sei gegeben, wenn die Grundsätze der Weiterbildungsordnung für den Erwerb der vorgeschriebenen ärztlichen Kompetenz im Hinblick auf Inhalte und Zeiten gewahrt seien. Durch § 10 werde eine Abweichung von Weiterbildungszeiten und -inhalten, nicht jedoch von der Qualität der Weiterbildung gewährt. Neben dem Nachweis der fachlichen Qualifikation sei somit eine in bestimmter Weise strukturierte praktische Weiterbildung zu fordern, um auf diese Weise zusätzlich zu gewährleisten, dass die erforderlichen Kenntnisse im Einzelfall auch tatsächlich vorlägen. Dies sei aus den vorgelegten Unterlagen nicht bzw. nicht vollständig zu erkennen. Hiergegen richtet sich die Klage des Klägers.
Das VG entschied, dass der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung der Gleichwertigkeit seiner ärztlichen Tätigkeit und Zulassung zur Prüfung für die Anerkennung der Facharztbezeichnung Physikalische und Rehabilitative Medizin habe, denn die insoweit einschlägigen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Bei § 10 WBO handele es sich um eine Ausnahmevorschrift, die grundsätzlich eng auszulegen sei. Sie diene nur dazu, in besonders gelagerten Fällen sachlich unbegründete Härten zu vermeiden. Sie greife bereits dann nicht ein, wenn der Arzt von Anfang an die Möglichkeit zu einer regulären Weiterbildung hatte. Nach Ansicht des Gerichts hatte der Kläger die Gelegenheit, die reguläre Weiterbildung für die Anerkennung der Facharztbezeichnung Physikalische und Rehabilitative Medizin zu durchlaufen. Er habe sich aber anders entschieden und habe - nach Erlangung zweier Facharzt- und zweier Zusatzbezeichnungen eine Chefarztstelle angetreten. Der Kläger hätte sich stattdessen aber auch dazu entschließen können, bei einem Weiterbildungsermächtigten die fachärztliche Weiterbildung im Bereich Physikalische und Rehabilitative Medizin zu beginnen. Es fehle im konkreten Fall zudem an einer gezielten, systematischen, konzeptionell strukturierten Weiterbildung. Denn der Kläger habe nicht nachweisen können, dass er sich mit dem Oberarzt damals darauf geeinigt hätte, dass die Tätigkeit des Chefarztes auf der Station des Oberarztes gerade seiner fachärztlichen Weiterbildung diene. Im Übrigen sei das Erfordernis einer Weiterbildung "unter Anleitung" nicht nur im Sinne einer fachlichen Anleitung, sondern auch im Sinne einer hierarchischen Leitungsbefugnis zu verstehen. Es sei daher nur dann erfüllt, wenn der Angeleitete den Anleitungen des Anleitenden nicht nur in fachlicher Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf die zeitliche und inhaltliche Gestaltung der Weiterbildung zu folgen habe. Ein solches Leitungsverhältnis sei - wie hier - im Verhältnis eines Oberarztes zu seinem eigenen Chefarzt grundsätzlich nicht gegeben. Letzterer stehe weder fachlich noch zeitlich noch bezüglich der inhaltlichen Gestaltung der Weiterbildung unter der hierarchischen Leitungsbefugnis seines eigenen Oberarztes.
Quelle: VG Münster, Urt. v. 15.2.2024, 5 K 185/21