18.11.2024

VG Hannover: Anfechtung der Genehmigung eines Heimversorgungsvertrags durch den Inhaber einer konkurrierenden Apotheke

Das Verwaltungsgericht Hannover (VG) hat entschieden, dass § 12a Apothekengesetz (ApoG) nicht dem Schutz konkurrierender Wettbewerber zu dienen bestimmt ist.

Die Klägerin wendet sich gegen die der E-Apotheke von der Beklagten erteilte Genehmigung des zwischen der E-Apotheke und einem Seniorenzentrum  geschlossenen Vertrages zur Versorgung von Bewohnern des Pflegeheims mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten (Heimversorgungsvertrag). Die Klägerin ist Eigentümerin der G-Apotheke. Sie verfügte selbst über einen Heimversorgungsvertrag mit dem Heimträger des Seniorenzentrums „I.“ GmbH, der von der Beklagten am 12.11.2018 genehmigt worden war. Der Heimträger des Seniorenzentrums „I.“ GmbH schloss sodann am 12.09.2022 einen (weiteren) Heimversorgungsvertrag mit Beginn zum 01.01.2023 mit der E-Apotheke. Die Beklagte genehmigte diesen am 13.10.2022. Zuvor war ihr ein auf den 28.10.2021 datiertes, an die Klägerin adressiertes Schreiben dieses Heimträgers, mit dem jener den Heimversorgungsvertrag mit der Klägerin zum 31.12.2022 kündigte, vorgelegt worden. Nachdem die Klägerin der Beklagten telefonisch mitgeteilt hatte, dass der zwischen ihr und dem Heimträger des Seniorenzentrums "I." GmbH geschlossene Heimversorgungsvertrag ihrer Auffassung nach nicht zum 31.12.2022 ende, nahm die Beklagte Kontakt mit dem Seniorenzentrum "I." GmbH auf. Man teilte der Beklagten mit, dass eine weitere Kündigung zum 31.12.2022 ausgesprochen worden sei. Mit Schreiben vom 25.01.2023 forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte auf, die Genehmigung des Heimversorgungsvertrages zwischen der E-Apotheke und dem Pflegeheim "I." GmbH zurückzunehmen. Die Beklagte teilte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin daraufhin telefonisch mit, dass eine Rücknahme nicht zu veranlassen sei. Sie habe nicht zu prüfen, ob eine Kündigung zugegangen und damit wirksam sei. Voraussetzung für die Genehmigung nach § 12a ApoG sei lediglich die Vorlage eines Kündigungsschreibens, welche erfolgt sei. Die Klägerin erhob daraufhin Klage.

Das VG entschied, dass die Klage mangels Klagebefugnis bereits unzulässig sei. Die Klägerin könne nicht geltend machen, die Genehmigung des Heimversorgungsvertrages zwischen dem Seniorenzentrum „I.“ GmbH und der E-Apotheke verstoße gegen eine ihren Schutz bezweckende Norm. Nach § 12a Abs. 1 ApoG sei der Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke verpflichtet, zur Versorgung von Bewohnern von Heimen im Sinne des § 1 HeimG mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten mit dem Träger der Heime einen schriftlichen Vertrag zu schließen. Der Vertrag bedürfe zu seiner Rechtswirksamkeit der Genehmigung der zuständigen Behörde. Die Genehmigung sei zu erteilen, wenn 1. die öffentliche Apotheke und die zu versorgenden Heime innerhalb desselben Kreises oder derselben kreisfreien Stadt oder in einander benachbarten Kreisen oder kreisfreien Städten liegen, 2. die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung gewährleistet ist, insbesondere Art und Umfang der Versorgung, das Zutrittsrecht zum Heim sowie die Pflichten zur Überprüfung der ordnungsgemäßen, bewohnerbezogenen Aufbewahrung der von ihm gelieferten Produkte durch pharmazeutisches Personal der Apotheke sowie die Dokumentation dieser Versorgung vertraglich festgelegt sind, 3. die Pflichten des Apothekers zur Information und Beratung von Heimbewohnern und des für die Verabreichung oder Anwendung der gelieferten Produkte Verantwortlichen festgelegt sind, soweit eine Information und Beratung zur Sicherheit der Heimbewohner oder der Beschäftigten des Heimes erforderlich sind, 4. der Vertrag die freie Apothekenwahl von Heimbewohnern nicht einschränkt und 5. der Vertrag keine Ausschließlichkeitsbindung zugunsten einer Apotheke enthält und die Zuständigkeitsbereiche mehrerer an der Versorgung beteiligter Apotheken klar abgrenzt. Dem Wortlaut der Vorschrift lasse sich nicht entnehmen, dass diese konkurrierenden Zugangsinteressen von Mitbewerbern in ihr Entscheidungsprogramm aufnimmt, sie gewichtet und einer horizontalen Ausgleichsordnung zuführt. Dies folge insbesondere auch nicht aus § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 ApoG. Das Erfordernis einer fehlenden Ausschließlichkeitsbindung vermöge ebenso gut der Versorgungssicherheit der am jeweiligen Heimversorgungsvertrag beteiligten Einrichtung dienen, die klare Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche mehrerer an der Versorgung beteiligter Apotheken einer sachgerechten Kontrolle der entsprechenden Arzneimittelbestände durch die versorgende Apotheke. Der Wortlaut der Norm lasse insofern keinen Rückschluss darauf zu, dass diese Zugangsinteressen von Mitbewerbern dienen soll bzw. zum Schutz Dritter bestimmt ist. Der Normzweck spreche dagegen, § 12a ApoG eine drittschützende Wirkung beizumessen. Die Zwischenschaltung der Apotheken bei der Abgabe von Arzneimitteln diene allgemein einer ordnungsgemäßen, d.h. sicheren und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Das Ziel einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung umfasse die Belange der Arzneimittelsicherheit (vgl. § 1 AMG), des Verbraucherschutzes und der Versorgungssicherheit. § 1 Abs. 1 ApoG weise die Gewährleistung einer sicheren Arzneimittelversorgung den Apotheken ausdrücklich als eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe zu. Konkret würden § 12a ApoG und das Genehmigungserfordernis darüber hinaus dem Schutz der Heimbewohner und der Beschäftigten des Heims dienen. Auch die Entstehungsgeschichte zeige, dass § 12a ApoG nicht individuellen Interessen von Wettbewerbern zu dienen bestimmt ist. Mit der Einführung von § 12 a ApoG habe der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass durch die Einführung der 2. Stufe zur Pflegeversicherung eine Anzahl von Krankenhausbetten oder Betten in gleichgestellten Einrichtungen in stationäre Pflegebetten umgewandelt worden und damit aus der Versorgung nach § 14 ApoG herausgefallen waren. Für sie sei daher eine sachgerechte Kontrolle der entsprechenden Arzneimittelbestände durch Apotheker nicht mehr sichergestellt gewesen. Zusätzlich seien den Krankenkassen erhebliche Mehrkosten für Arzneimittel entstanden, da eine vertragliche Regelung zwischen Heimträgern und öffentlichen Apotheken oder Krankenhausapotheken für eine kostengünstigere und verbesserte Arzneimittelversorgung nach der seinerzeitigen Gesetzeslage nicht möglich war. Vorrangiges Ziel des Gesetzentwurfs sei daher eine Erhöhung der Arzneimittelsicherheit sowie eine kostengünstigere und teilweise auch einfachere Arzneimittelversorgung gewesen. Dazu sollte die direkte Abgabe von Arzneimitteln an Patienten bei ambulanter Behandlung im Krankenhaus sowie bei Entlassung am Wochenende oder vor einem Feiertag ermöglicht werden. Pflegeheime seien unter bestimmten Voraussetzungen Kur- und Spezialeinrichtungen bei der Arzneimittelversorgung gleichgestellt worden; die übrigen Pflegeheime sollten die Versorgung durch eine öffentliche Apotheke einzelvertraglich vereinbaren können. Hiernach diene die Vorschrift in erster Linie öffentlichen Interessen, während Individualinteressen allein insoweit in den Blick genommen seien, als im Lichte der nach Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit auf die Belange der Antragsteller einer Heimversorgungserlaubnis Rücksicht zu nehmen ist. Soweit die Klägerin vorträgt, der Gesetzgeber schütze mit der Bestimmung des § 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ApoG, wonach mehrere Apotheken gleichzeitig oder auch im turnusmäßigen Wechsel die Versorgung übernehmen dürfen, die Interessen der Wettbewerber, sei diesem Gedanken mit Blick auf die Gesetzesbegründung nicht zu folgen. So lasse § 12a Abs.1 ApoG zwar Wettbewerb zu bzw. setze diesen als existent voraus. Die Norm sei aber nicht geschaffen worden, um den Wettbewerb überhaupt erst zuzulassen. Ausdrücklich werde klargestellt, dass das Genehmigungsverfahren bei der zuständigen Behörde unter anderem dem Ziel diene, prüfen zu können, ob der Vertrag der Versorgung diene und die geltenden Bestimmungen beachtet werden. Der Wortlaut „unter anderem“ meine dabei nicht, dass das Genehmigungsverfahren im Übrigen die Interessen der Wettbewerber schütze - ein solches Ziel lasse sich dem gesamten Gesetzgebungsverfahren nicht entnehmen -, sondern nehme Bezug auf die übrigen im Gesetzesentwurf benannten Ziele: namentlich die Erhöhung der Arzneimittelsicherheit sowie der Schutz der Heimbewohner und der Beschäftigten des Heimes. Ziel des § 12a Abs. 1 S. 3 Nr. 5 ApoG sei die Versorgungssicherheit der Heimbewohner, nicht aber der Schutz konkurrierender Wettbewerber.

Quelle: VG Hannover, Urt. v. 18.11.2024, 7 A 2014/23