16.05.2025
OLG Köln: Werbung für Nahrungsergänzungsmittel als "Dr. Med."
Das Oberlandesgericht Köln (OLG) hatte sich im Rahmen eines Rechtsstreits mit der Lauterbarkeit von Werbung für Nahrungsergänzungsmittel im Zusammenhang mit Angabe „Dr. med.“ auseinanderzusetzen.
Der klagende B.-Verein nimmt den Beklagten, einen approbierten Arzt und Geschäftsführer einer Anbieterin von Nahrungsergänzungsmitteln, auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch. Der Kläger rügt die im Internetauftritt des Beklagten wiedergegebene Werbung als lauterkeitswidrig. Hintergrund sind unter anderem folgende Aussagen: „DR. MED. A. N. Gesundheit ist Vertrauenssache“ und „Dr. med. A. N. steht als Arzt für Seriosität, Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit. Damit du dich sicher aufgehoben fühlst, lautet sein Credo: „Keine Wunder versprechen, sondern medizinisch fundierte Empfehlungen geben“. Der Kläger beruft sich auf den Unlauterkeitstatbestand des § 3a UWG i.V.M. §§ 3, 27 als BOÄ als Marktverhaltensregelungen sowie die im Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung geltenden strengen Anforderungen an die Zulässigkeit von Werbeaussagen, auch vor dem Hintergrund der Parallelwertung aus der Health-Claims-Verordnung (HCVO).
Das OLG entschied, dass der Kläger einen Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Werbung aus § 8 Abs. 1 UWG habe. Danach könne derjenige, der eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, von den nach § 8 Abs. 3 UWG Berechtigten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Gemäß § 3 Abs. 1 UWG seien geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie unlauter sind. Zwar sei die BOÄ anwendbar, weil der Beklagte ein approbierter Arzt ist, § 27 BOÄ jedoch nicht einschlägig. Der Beklagte werbe nicht für Produkte im Zusammenhang mit einer eigenen ärztlichen Tätigkeit. Aus § 3 Abs. 1 S. 2 BOÄ, einer Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG, folge zunächst, dass es Ärzten grundsätzlich erlaubt ist, ihren Namen in Verbindung mit einer ärztlichen Berufsbezeichnung für gewerbliche Zwecke zu nutzen. Verboten sei dies nur, wenn die Nutzung in unlauterer Weise erfolgt. § 3 Abs. 1 BOÄ nehme insoweit Bezug auf das UWG, einschließlich der insbesondere im Rahmen des Irreführungstatbestandes des § 5 UWG entwickelten Grundsätze zur gesundheitsbezogenen Werbung. Ein Arzt stehe in dieser Hinsicht im Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts nicht schlechter aber auch nicht besser da als jeder andere Mitbewerber. Entscheidungserheblich sei daher letztlich die Frage, ob die angegriffene Werbung den u.a. für Nahrungsergänzungsmittel greifenden besonderen Anforderungen an Aussagen im Gesundheitsbereich genüge. Im Gesundheitsbereich würden besonders strenge Anforderungen für den Ausschluss einer Irreführungsgefahr gelten. Der Verbraucher sei bei einer Gesundheitswerbung besonders bereitwillig, auf die Wirksamkeit eines Produktes zu vertrauen, und daher geneigt, Werbeaussagen tatsächliche Angaben zu entnehmen und sie für wahr zu halten. Irreführende Angaben würden in diesem Bereich erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung mit sich bringen, so dass strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Angaben gerechtfertigt seien. Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung seien generell nur zulässig, wenn sie gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Durch die streitbefangene Werbung angesprochen sei die Gruppe der normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher. Der Beklagte bewirbt das von der Dr. med. F. GmbH vertriebene Sortiment als von ihm - einem seriösen und kompetenten Arzt, dem man vertrauen könne - auf Zuverlässigkeit geprüft ("Keine Wunder versprechen") und aus fundierter medizinischer Sicht empfehlenswert ("sondern medizinisch fundierte Empfehlungen geben"). Er vermittele dem angesprochenen Verkehr im Gesamtkontext der Werbung den Eindruck, die in das Sortiment der Dr. med. F. GmbH aufgenommenen Nahrungsergänzungsmittel seien ungefährlicher, wirksamer und empfehlenswerter als Konkurrenzprodukte. Unabhängig davon, ob die auf den einzelnen Nahrungsergänzungsmitteln angeführten Claims nach der HCVO zugelassen sind, behaupte der Beklagte damit, dass die in das Sortiment der Dr. med. F. GmbH aufgenommenen Nahrungsergänzungsmittel den konkurrierenden Produkten in dieser Hinsicht überlegen seien. Dies gehe über eine Imagewerbung, d.h. eine Maßnahme, die allein der Pflege des Namens eines Unternehmens dient, weit hinaus und stehe gegen den Regelungszweck der HCVO, wonach um dem Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewähren und ihm die Wahl zu erleichtern, gesundheitsbezogene Angaben bei der Werbung für Lebensmittel grundsätzlich verboten und nur mit einem zugelassenen Claim erlaubt sind, § 10 HCVO. Der Beklagte nehme für sein Sortiment eine besondere medizinische Absicherung in Anspruch, gründend auf die eigene Expertise als promovierter Mediziner, ohne darzulegen, dass diese seine eigene Meinung auch der allgemeinen Ansicht in der Wissenschaft entspricht. Angeblich wissenschaftlich fundierte Werbeaussagen seien indes vom Werbenden darzulegen und zu beweisen. Der Werbende müsse, wenn er in einem solchen Fall in Anspruch genommen wird, darlegen können, dass er über entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse verfügt, wobei es nicht ausreichend sei, dass er sich erst im Prozess auf ein Sachverständigengutachten beruft, aus dem sich die behauptete Wirkungsweise ergeben soll. Dass das von der Dr. med. F. GmbH vertriebene Sortiment tatsächlich aus allgemein anerkannter wissenschaftlicher Sicht empfehlenswert ist, sei weder von dem Beklagten schlüssig dargetan noch sonst ersichtlich. Insgesamt sei zu berücksichtigen, dass - wie allgemein bekannt ist - Nahrungsergänzungsmittel im Einzelfall gesundheitsschädlich sein können. Insoweit lege die vom Beklagten geäußerte Ansicht, es sei üblich und werde geradezu erwartet, dass ein Arzt Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel empfehle, den Kern der Problematik im Streitfall offen. Der Beklagte empfehle die von seiner GmbH vertriebenen Nahrungsmittel nicht im Einzelfall nach einer individuellen Prüfung, sondern bewerbe sie mit generellen Aussagen, bezogen auf das gesamte Produktsortiment gegenüber allen Verbrauchern. Dies berge die Gefahr, dass die beworbenen Nahrungsergänzungsmittel vom angesprochenen Verkehr als vermeindlich allgemein empfehlenswert verstanden oder jedenfalls aufgrund einer geminderten Kritikhaltung gegenüber dem sie bewerbenden Arzt sorgloser eingenommen werden, als andere Nahrungsergänzungsmittel, die - nur - mit den nach der HCVO zulässigen Claims beworben werden. Mit der angegriffenen Werbung sei folglich eine nicht unerhebliche Gefahr für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung insgesamt verbunden. Dem Beklagten sei es nach alledem zwar gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 BOÄ nicht verwehrt, mit seiner Person als einem promovierten Arzt für ein von ihm zusammengestelltes Produktsortiment zu werben, das Sortiment darüber hinausgehend ausdrücklich als besonderes wirksam und aus medizinischer Sicht empfehlenswert anzupreisen wäre ihm jedoch - wie auch seinen Mitbewerbern - nur dann gestattet, wenn diese Aussagen wissenschaftlich allgemein anerkannt wären. Dies sei nicht feststellbar. Die verbleibenden Zweifel würden zu Lasten des für das Vorliegen wissenschaftlicher Erkenntnisse darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten gehen.
Quelle: OLG Köln, Urt. v. 16.05.2025, 6 U 29/25
